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14. Mai 2025 | Erstellt von Redaktion Cyberriskmanager.de

Wie viel Regulierung braucht IT-Sicherheit?

Regulierung der IT-Sicherheit

Cyberangriffe nehmen stetig zu – und mit ihnen der Ruf nach klaren Regeln und einheitlichen Schutzmaßnahmen. Unternehmen sehen sich heute mit einem dichten Netz an Vorgaben konfrontiert: von internationalen IT-Sicherheitsstandards wie ISO 27001 über nationale Rahmenwerke wie den IT-Grundschutz bis hin zu neuen EU-Gesetzen wie dem Cyber Resilience Act. Doch wie viel Regulierung ist notwendig, wie viel ist zu viel? Und helfen all diese Maßnahmen wirklich, die digitale Widerstandsfähigkeit zu erhöhen – oder führen sie zu einem bürokratischen Kraftakt, der die Sicherheit eher behindert? In diesem Beitrag beleuchten wir Chancen und Risiken, das Pro und Kontra der wachsenden Regulierung der IT-Sicherheit.

ISO 27001 und IT-Grundschutz: Globale Standards vs. nationale Praxis

Wenn es um verlässliche die Regulierung der IT-Sicherheit geht, stehen zwei Namen besonders im Fokus: ISO/IEC 27001 und der IT-Grundschutz des BSI. Beide verfolgen das Ziel, systematische Informationssicherheit in Unternehmen zu verankern – jedoch mit unterschiedlichen Ansätzen und Zielgruppen.

ISO 27001

ISO 27001 ist der internationale Goldstandard. Die Norm legt Anforderungen an ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) fest und gilt als weltweit anerkannter Nachweis für strukturiertes Sicherheitsmanagement. Sie ist besonders bei international tätigen Unternehmen gefragt, weil sie regulatorische Erwartungen auf globalen Märkten erfüllt. Ihr Vorteil: Flexibilität. Unternehmen können den Umfang der Maßnahmen je nach Risiko- und Geschäftsmodell skalieren.

Der IT-Grundschutz des BSI 

Der IT-Grundschutz des BSI hingegen ist ein deutscher Rahmen, der tief ins Detail geht. Er bietet ein umfangreiches Kompendium an Maßnahmenkatalogen, die vor allem für Behörden, Kritische Infrastrukturen (KRITIS) und größere Organisationen gedacht sind. Die Stärke des IT-Grundschutzes liegt in seiner Tiefe – gleichzeitig wird er jedoch oft als schwergewichtig und aufwendig empfunden.

Beide Systeme bieten Werkzeuge für mehr Sicherheit. Doch während ISO 27001 auf Management-Ebene punktet, überzeugt der IT-Grundschutz mit technischer Tiefe. Viele Organisationen nutzen inzwischen einen hybriden Ansatz: ISO 27001 als strategischen Rahmen – ergänzt durch ausgewählte Bausteine des Grundschutzes für operative Sicherheit. Die Wahl zwischen beiden ist nicht nur eine Frage der Präferenz, sondern auch der Anforderungen der Branche, der Größe des Unternehmens und der erwarteten Prüf- und Nachweispflichten durch Kunden oder Regulierungsbehörden.

Der Cyber Resilience Act: Europas Antwort auf digitale Unsicherheiten

Mit dem Cyber Resilience Act (CRA) will die Europäische Union erstmals einheitliche Cybersicherheitsanforderungen für digitale Produkte mit Hard- und Softwarekomponenten etablieren. Die geplante Verordnung verfolgt das Ziel, die Sicherheit „by design“ und „by default“ zu verankern – also bereits in der Entwicklung und Standardkonfiguration von Produkten. Der CRA könnte damit für die IT-Sicherheit werden, was die DSGVO für den Datenschutz ist: ein europäischer Meilenstein mit weitreichenden Folgen.

Im Kern verpflichtet der Cyber Resilience Act Hersteller und Importeure, Schwachstellen frühzeitig zu adressieren, Sicherheitsupdates bereitzustellen und sicherzustellen, dass ihre Produkte keine systemischen Risiken verursachen. Die Verantwortung wird klar auf die Anbieter verlagert – ein Paradigmenwechsel in der Sicherheitskette. Besonders relevant ist dies für Unternehmen, die vernetzte Produkte entwickeln oder nutzen, etwa im Bereich IoT, Industrie 4.0 oder Medizintechnik.

Der Cyber Resilience Act (CRA) verschiebt die Haftung signifikant: Mit dem geplanten Cyber Resilience Act vollzieht die EU einen Paradigmenwechsel. Die Verantwortung für die Sicherheit digitaler Produkte wird klar auf die Hersteller und Importeure verlagert. Dies bedeutet eine Ausweitung der Produkthaftung im digitalen Raum und wird Unternehmen zwingen, „Security by Design“ und „Security by Default“ nicht nur als technische, sondern als primär rechtliche Verpflichtung zu begreifen, um künftigen Haftungsrisiken und behördlichen Sanktionen vorzubeugen.

Rechtsanwalt Christian Solmecke, WBS.LEGAL

Kritiker befürchten jedoch hohe bürokratische Hürden und Unsicherheiten bei der konkreten Umsetzung. Viele Details – etwa zu Nachweispflichten und Übergangsfristen – sind noch nicht final geregelt. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sorgen sich vor zusätzlichem Aufwand, ohne klare Unterstützung.

Trotz dieser Kritikpunkte gilt der CRA als dringend nötiger Impuls: Er soll die Fragmentierung des europäischen Marktes überwinden und Vertrauen in digitale Produkte schaffen. Für betroffene Unternehmen bedeutet das jedoch: Sie müssen sich rechtzeitig vorbereiten, Prozesse anpassen und ihre IT-Sicherheitsstandards nachschärfen.

Pro: Warum Regulierung die IT-Sicherheit stärkt

Es gibt gute Gründe, die zunehmende Regulierung der IT-Sicherheit als Chance zu sehen – nicht als Belastung. Denn einheitliche Standards schaffen Klarheit, Verlässlichkeit und Vertrauen. Unternehmen, die sich an bewährte Rahmenwerke wie ISO 27001, IT-Grundschutz oder künftig den Cyber Resilience Act halten, können ihre Sicherheitsmaßnahmen systematisch und nachvollziehbar strukturieren. Das schafft nicht nur Schutz vor Angriffen, sondern verbessert auch die eigene Position im Wettbewerb.

Gerade in Zeiten steigender Cyberbedrohungen ist eine klare Orientierung für Unternehmen von unschätzbarem Wert. Standards bieten praxiserprobte Leitlinien, helfen bei der Risikobewertung und unterstützen die Priorisierung von Maßnahmen. Darüber hinaus erhöhen Zertifizierungen die Compliance-Fähigkeit und erleichtern die Kommunikation mit Partnern, Kunden und Aufsichtsbehörden.

Auch wirtschaftlich kann Regulierung langfristig entlasten. Wer heute in IT-Sicherheitsstandards investiert, reduziert das Risiko kostspieliger Sicherheitsvorfälle und den Aufwand bei Schadensbehebung, Bußgeldern oder Reputationsschäden. Zudem ermöglichen standardisierte Prüfungen eine bessere Vergleichbarkeit und Transparenz im Markt – ein Vorteil für Anbieter wie für Nachfrager. Und nicht zuletzt: Die Regulierung schafft ein gemeinsames Sicherheitsniveau. Gerade im europäischen Kontext wird damit ein einheitlicher Mindeststandard gesetzt, der die digitale Souveränität stärkt und die Resilienz ganzer Wirtschaftszweige erhöht.

Die Entscheidung für ISO 27001, den IT-Grundschutz oder einen hybriden Ansatz ist nicht nur eine technische, sondern eine strategisch-rechtliche Weichenstellung. Sie hängt von branchenspezifischen Vorgaben, der Unternehmensgröße und vor allem von den vertraglichen sowie regulatorischen Prüf- und Nachweispflichten ab. Eine falsche oder unzureichende Wahl kann zu Vertragsstrafen, Bußgeldern oder dem Ausschluss von Ausschreibungen führen.

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Kontra: Wenn Bürokratie zur Sicherheitsbremse wird

So notwendig IT-Sicherheitsstandards auch sind – zu viel Regulierung kann zur Gefahr für die Handlungsfähigkeit von Unternehmen werden. In der Praxis zeigt sich: Viele Organisationen kämpfen weniger mit dem Was, sondern mit dem Wie. Denn zwischen Formularen, Audit-Anforderungen, Dokumentationspflichten und Rezertifizierungen bleibt oft zu wenig Zeit für die eigentliche Sicherheitsarbeit.

Ein zentrales Problem ist die Bürokratielast. Insbesondere kleinere Unternehmen verfügen weder über eigene Informationssicherheitsbeauftragte noch über die Ressourcen, um komplexe Anforderungen kontinuierlich umzusetzen. Sie sehen sich gezwungen, externe Berater zu beauftragen, um der Regulatorik gerecht zu werden – ohne dass dies automatisch zu besserem Schutz führt.

Kritisch wird es, wenn Sicherheitsmaßnahmen nur umgesetzt werden, um Checklisten zu erfüllen. Dann entsteht eine Scheinsicherheit: Die Maßnahmen sind dokumentiert, aber nicht wirklich wirksam. In solchen Fällen kann der Formalismus sogar gefährlich sein, weil er ein falsches Sicherheitsgefühl vermittelt.

Während Regulierung Rechtssicherheit schaffen soll, kann ein Übermaß an komplexen, sich überlappenden oder unklaren Vorgaben („Normendschungel“) zu einer erheblichen Belastung führen. Dies bindet Ressourcen, die für die eigentliche Sicherheitsarbeit benötigt würden und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Unternehmen aus Angst vor Fehlern Innovationen scheuen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, eine Balance zu finden, die durch klare, verhältnismäßige und praxistaugliche Regelungen effektiven Schutz ermöglicht, ohne die Handlungsfähigkeit der Wirtschaft unverhältnismäßig einzuschränken.

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Auch die Vielzahl unterschiedlicher Vorgaben – vom IT-Grundschutz über branchenspezifische Standards bis hin zu EU-Verordnungen – führt zu Unsicherheit. Überlappungen, Widersprüche und unklare Zuständigkeiten erschweren die Umsetzung. Wer hier nicht aufpasst, verliert sich im Normendschungel und verliert den eigentlichen Fokus: Schutz vor realen Bedrohungen. Was es also braucht, ist ein Regulierungskonzept mit Augenmaß – eines, das Klarheit und Sicherheit schafft, aber nicht durch übertriebene Komplexität lähmt.

Fazit: Balance zwischen Sicherheit und Flexibilität finden

IT-Sicherheitsstandards wie ISO 27001, IT-Grundschutz und neue Regulierungen wie der Cyber Resilience Act sind wichtige Instrumente für eine stabile und widerstandsfähige digitale Wirtschaft. Sie helfen, Mindeststandards zu etablieren, Angriffsflächen zu reduzieren und Vertrauen bei Partnern, Kunden und Behörden aufzubauen.

Doch Regulierung darf kein Selbstzweck sein. Sie muss so gestaltet sein, dass sie Unternehmen befähigt – nicht blockiert. Gerade im Mittelstand braucht es pragmatische, skalierbare und unterstützende Ansätze, damit die Umsetzung nicht zur Überforderung wird. Denn am Ende zählt nicht, wie viele Dokumente im Archiv liegen, sondern wie wirksam die Schutzmaßnahmen im Ernstfall funktionieren. Eine zukunftsfähige Sicherheitsstrategie kombiniert daher bewährte Standards mit einem gesunden Maß an Flexibilität. Sie erkennt an, dass IT-Sicherheit kein Zustand, sondern ein dynamischer Prozess ist – einer, der mit Technologie, Bedrohungslage und Geschäftsmodell mitwachsen muss. Die Aufgabe von Politik, Normgebern und Unternehmen ist es jetzt, diese Balance zu gestalten: Für eine Regulierung, die schützt – und nicht lähmt.

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